Entscheidungsschwäche

Die Angst, sich festzulegen

Ich fühle mich albern. Es dreht sich in meinem Magen. So lange habe ich mich danach gesehnt und nun fühle ich mich einfach schlecht. Die Kellnerin nähert sich uns und meine Panik wächst. Denn ich weiß nicht, was ich bestellen soll.

Angst vor der Festlegung

Wir haben warten müssen, um Kaffee zu trinken. Das ist immer so, wenn man den „Demel“ in Wien besuchen möchte. Dieses Kaffeehaus gehört aber zum Programm, wenn man in Wien ist. Jetzt aber, wo ich endlich drinnen sitze, umgeben von Kristallleuchten und Spiegeln, weiß ich nicht, was ich bestellen soll. „Du bist lächerlich“ flüstert eine innere Stimme. Ich habe Angst, dass die Stimme recht hat.

Ich habe lange darauf gespart – buchstäblich Jahre – um nach Wien zu reisen. Diese Stadt steht auf meiner Wunschliste, solange ich denken kann. Aber zuerst kam das Studium und diverse Fortbildungen. Dann kamen die Ehe und die Kinder. Immer war etwas dazwischengekommen. Jetzt bin ich tatsächlich hier angekommen. Und der „Demel“ gehört dazu. Eine der ältesten Konditoreien, K.-u.-K. Hofzuckerbäcker, Rokoko-Eleganz und Gebäck vom Feinsten. Ich habe mir diesen Ausflug immer wieder vorgestellt. Und nun bin ich unsicher. Ich bin zwar am Ziel. Ich habe es mir gewünscht: Einmal im Leben hier zu sein. Was, wenn ich falsch auswähle? Wenn ich nicht das Beste erwische? Was, wenn ich meine Wahl danach bereue?

Zurückgehen lassen kann man eine Torte nicht, nur, weil man es sich anders überlegte. Andererseits, sage ich mir, es ist bloß Torte. Und dennoch, diese Torte hat auf sich warten lassen und ist inzwischen merkwürdigerweise wertvoll. Ich fühle mich dumm und seltsam überfordert. Die anderen Damen, die mitgereist sind, wissen sicher, was sie wollen. Woher nehmen sie diese Sicherheit? Nur ich mache mir scheinbar Gedanken darüber. Sachertorte? Aber die bestellt man doch besser beim Hotel Sacher, oder? Lieber die Hausspezialität, Anna-Torte? Ich versuche mich daran zu erinnern, was ich alles gelesen oder gehört habe über die Torten hier im „Demel“. Ich suche den maximalen Genuss. Falls ich nie wieder hier sein kann. Damit ich absolut sicher sein kann, dass es sich gelohnt hat. Keine Reue.

Meine Freundin, Manuela, weiß sofort, was sie will – Karottentorte. Und auch, als die Kellnerin bedauert, dass die Torte leider schon aus ist, weiß Manuela augenblicklich, was sie als Ersatz will – Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster. Mit einem großen Verlängerten. Die Bestellung klingt bestimmt. Woher weiß sie so sicher, was gut ist? Auch meine Freundin Elfriede ist sich sehr sicher in ihrem Wunsch: Apfelstrudel – aber nur, wenn er mit Vanillesoße serviert werden kann. Dazu eine Melange, ganz klar. Ganz einfach.

Die Kellnerin dreht sich zu mir, „Haben schon gewählt?“ kam die traditionelle Frage. Und im Kopf wirbelte alles durcheinander. Und ich höre mich selbst antworten: Dobostorte? Mit einem Verkehrten….

Links:
Demel: www.demel.com
Stadt Wien: www.wien.info

Bildnachweis: Titelbild – iStock, ALLEKO